Mi, 25.04.2012, 20:00 Uhr
ERIK SATIE EN SCÈNE / SOCRATE / Sports & Divertissements
Erik Satie"Sports & Divertissements - Ein Album für Klavier" (1914)Alan Newcombe (Klavier), Milo Lohse (Sprecher), Falko Riester (Filme und Installationen)"Socrate - Drame symphonique avec Voix" (1919)Alan Newcombe (Klavier); Viktoria Mun, Alina Leonova, Theresa Schram, Alina Semjonova (Gesang); Jörg Andrees (Regie); Holger Lampson (Musikalische Einstudierung); Eric Miot (Choreographie); Friedwart Krüger (Bühnenbild); Johanna Baumann (Französisch-Coaching)Kooperationsprojekt von ALFRED SCHNITTKE AKADEMIE INTERNATIONAL und FORUM NEUE MUSIK in der Christianskirche HamburgBemerkungen zu "Socrate":"Socrate" von Erik Satie ("Drame symphonique", entstanden 1918) ist ein musikalisches Portrait des Sokrates in drei Bildern. Der Text verwendet Auszüge aus drei Platonischen Dialogen in französischer Übersetzung von Victor Cousin. Höhepunkt des Ganzen ist der Tod des Socrates aus Platons "Phaedros". Platons männliche Dialogpartner werden hier repräsentiert durch Frauenstimmen. Platons Text soll rein und klar hörbar werden.Unsere Aufführung bringt das Werk erstmalig in einer Vereinigung von Gesang und Tanz. Die Gesangsstimme ist nur eine grosse melodische Linie. Es gibt keine Zuordnung der Stimmen im Sinne von Rollen, keine Dramatik. Die Gestalten sind weiß kostümiert. Wir haben die Melodie frei auf die Stimmen verteilt, mal solistisch, mal chorisch, mal in Duo- oder Trioformation. Die Einsätze und Wechsel der Stimmen sind nicht festgelegt, sondern erfolgen nach einem "geheimen" Verabredungsmodus. Dadurch entsteht eine flächige, stark verinnerlichte einstimmige Musik, die durch das Klavier und durch die Tanzbewegung atmosphärisch angereichert wird.„Socrate“ gehört zu den Schlüsselwerken Zeitgenössischer Musik. Seine Bedeutung wurde erstmalig von John Cage umfassend gewürdigt. Saties künstlerische Haltung zeugt von einem autonomen Geist, dem es um schonungslose künstlerische und menschliche Selbstbestimmung ging. Er drückte dies in seiner Kunst und seiner Lebensform mit kristalliner Klarheit, scharfem Witz und genialer Kreativität aus.Sokrates hat als erster die Quellen des Denkens, Tuns und Verantwortens im menschlichen Ich gefunden. Er wirkte und starb für ein Handeln aus individueller Erkenntnis.Bemerkungen zu "Sports & Divertissements":Erik Satie komponierte die 21 Klavierstücke nach Grafiken des Modezeichners Charles Martin. Er verband die Grafiken mit seiner eigenen kalligraphisch gestalteten Klavierpartitur und kleinen selbst verfassten Texten zu einem "Gesamtkunstwerk" und betrat damit Neuland. Wir haben Martins Zeichnungen durch filmische Miniaturen ersetzt, die die Musik manchmal atmosphärisch unterstützen, dann wieder ironisch auf Distanz gehen - ähnlich wie sich Saties Klavierstücke (mit ihren musikalischen Zitaten) oder seine Texte zu den Zeichnungen Martins verhalten. Saties kalligraphische Partitur wird projiziert, die Texte werden gesprochen. Damit wird die Multimedialität, die Satie im Sinn hatte, erfahrbar. Da "Sports & Divertissements" nur aus Saties kindlich-anarchischem Spieltrieb zu verstehen ist, wird das Ganze präsentiert wie ein großes Spielzeug, in das der Pianist integriert ist. Satie schreibt 1914 in seinem Vorwort: "Ich empfehle dieses Buch mit einem freundlichen und lächelnden Finger zu durchblättern, denn es handelt sich um ein Werk der Fantasie. Man sollte nichts anderes darin sehen." Angesichts des nur 2 Monate später beginnenden Kriegsgemetzels erscheint uns dieses Werk eher wie ein ironischer Abgesang auf die "Belle Epoque" mit ihren andauernden Vergnügungen und ihrem militaristischen Gehabe.