Hamburger Abendblatt, Neutöner: Trüffelsuche für jedermann

Hamburger Abendblatt, 30. April 2009 Von Verena Fischer-Zernin Die besten Ideen werden manchmal aus der Not geboren. Das Festival "blurred edges", das vom 1. bis zum 16. Mai die Stadt in den unterschiedlichsten und schrägsten Ecken mit neuen Tönen erfüllen wird, hat fast kein Geld - genauer gesagt, ein winziges Budget von der Initiative "Klang!". Und einen Kurator hat es auch nicht. Weil es so schön billig ist, ist nämlich der Verband für aktuelle Musik Hamburg (VAMH), der das Festival 2004 ins Leben rief, auf die Segnungen des Internets verfallen: Anmelden auf der Plattform reicht, um mitzumachen. "Das darf jeder", sagt VAMH-Mitglied Michael Petermann, "der von sich behauptet, er mache aktuelle Musik." Und jeder ist sein eigener Veranstalter.Die Unterscheidung zwischen aktueller und "Neuer" Musik ist Petermann wichtig. "Neue Musik, das klingt so bierernst, nach stundenlang Stillsitzenmüssen, nach Nichtkapieren", findet er. "Wir wollen die Grenzen zwischen E- und U-Musik aufheben." Dabei ist, ganz herrschaftsfrei, ein Mix an Musikstilen und Konzertformen herausgekommen: Er reicht von annähernd klassischen Konzerten über Performances und Improvisationen bis zum DJ-ing in Clubs. Gleich zu Beginn präsentieren Schüler ihre eigenen Kompositionen (1.5., Schauspielhaus), und das Ensemble "EIS" aus Wien musiziert nach alternativen Notationen (1.5., Galerie Trottoir). Petermann sampelt und montiert nach Kräften bei seiner "Hommage à Ligeti" (4.5., Weißer Rausch), und der renommierte amerikanische Cellist und Komponist Charles Curtis führt mit Carol Robinson und Bruno Martinez (Bassetthörner) die neueste Arbeit der französischen Elektropionierin Eliane Radigue auf (5.5., Christianskirche Ottensen). Und als Location besonders spannend ist natürlich der neue "Klang!"-Container, das Konzert-Mobil, das zunächst auf dem Uni-Campus an der Moorweidenstraße vor Anker gegangen ist. Bleibt den Hörern die Qual der Wahl. Neugierde ist sicher der beste Leitfaden durch das bunte Angebot. "Es besteht natürlich die Gefahr, dass man sich in der falschen Veranstaltung wiederfindet", sagt Michael Petermann und lacht. "Aber genauso gut kann man auch eine Trüffel finden." http://www.abendblatt.de/kultur-live/kultur/article996225/Trueffelsuche-fuer-jedermann.html